Hier schreiben Hobbydichter für Lyrik-Freunde – meist Gereimtes und nur Druckreifes! Willkommen also, viel Vergnügen mit unseren Gedichten und deren Bebilderung!

Aufrufe unseres Blogs erfolgen automatisch mit Sicherheitsprotokoll "https". Am 18. Mai 2022 hatten wir unseren 600. Beitrag in den Blog gestellt!

Bereits seit Jahresbeginn bringen wir neue Folgen an Kalenderblättern und Monatsbildern. Darum herum dann das, was sich an Einfällen so ergibt – man wird sehen! Nun ja, was man auch sieht: wir "unterschlagen" seit einer ganzen Weile auch einen gewissen Anteil an sanfter Erotik nicht länger - die Zeiten sind eben so ...

Wir teilen den Lesern unseres Versbildners mit und bitten um Verständnis, dass wir auch weiterhin das monatliche Angebot auf 6 Beiträge beschränken - die Kontaktarmut dieser Zeit bringt leider auch eine gewisse Ideenarmut mit sich. Neueinstellungen erfolgen damit um die Kalendertage des 1., 6., 11., 16./17., 21./22., 25.-27. eines Monats.

Montag, 31. Dezember 2018

Silvester mit den Klapphorns (Teamwork; Klapphornverse-5)

John George Brown (1831-1913): Eine deutsche Blaskapelle spielt in NY City (~1876).
Repro nach Harper's Weekly; via en.wikipedia; Liz:: gemeinfrei.


Variante: "eher jüngere Knaben"

Zwei Knaben feiern grad Silvester    
und spielen in 'nem Blasorchester.   
Der eine, der verliert den Ton;   
der andre sagt: "Den find ich schon."   

Die Knaben spielen dann Klavier, 
doch haben nur an Händen vier; 
da hat's Klavier zu viele Tasten –  
sie spielen lieber Leierkasten. 

Als dann um zwölf die Böller krachen, 
schnell beide aus dem Staub sich machen. 
Klavier und Kasten sind jetzt schnuppe –  
sie suchen jeder sich 'ne Puppe.  

Die beiden Puppen mit den Knaben  
tun sich am Neujahrspunsch nun laben, 
doch bald, nach meh'ren "Limonaden",  
da droht ihnen ganz ernstlich Schaden. 

Die Knaben schicken beide Puppen 
zu andren unversorgten Truppen   
und kehren heim ins Blasorchester – 
dort spiel'n sie weiter zu Silvester! 

© lillii (Luzie-R; 28.12.2018 )


Variante: "eher ältere Knaben"

Zwei ältre Knaben an Silvester:  
Es sagt der eine: "He, mein Bester:  
wir wollen vorher tüchtig futtern,  
sonst wird der Schnaps uns unterbuttern!" 

Dem andern "Knaben" ist das schnuppe, 
er schwört jedoch auf eine Suppe.  
Der Suppentopf – ach wie verschroben,  
steht im Regal sehr-sehr hoch oben.  

Die Knaben steigen auf 'ne Leiter,  
die reicht ganz oben nicht mehr weiter; 
es fällt der ob're drum herunter,  
der unt're liegt schon untendrunter. 

"Da gehen eben unsre Linsen",  
sagt Suppenknabe, "in die Binsen.  
Wir können auch ganz anders schlemmen:  
und futtern jeder ein paar Bemmen!" 

Um die vom Brote abzuschneiden    
lässt sich ein Messer nicht vermeiden: 
Doch schneidet unser Brotbezwinger  
statt durch das Brot – in seine Finger.  

Den Schnitter scheint das Los zu neppen,
und abzustempeln ihn als Deppen …  
die Lösung – Phönix aus der Asche:  
auch eine Hand hält schon die Flasche!  

Sie geben lachend sich paar Klapse  
und greifen jetzt sofort zum Schnapse.  
Sie prosten auf noch viele Jahre –  
das "Neue" nehm' sie nicht mehr wahre!  

© elbwolf (Wolfgang H., 29.12.2018)

Freitag, 28. Dezember 2018

2018 – rückwärts und vorwärts geschaut (Teamwork)

Ambrogio Lorenzetti  (1290–1348; Siena): Allegorie der Guten Regierung (Detail)
Standort: Ratssaal der Neun, Palazzo Pubblico in Siena.
via: The Yorck Project (2002) 10.000 Meisterwerke der Malerei; gemeinfrei.

Überlegungen am Jahresende           
– Dezime –  

Altes Jahr, schon fast vergangen:
seine Stunden sind bemessen;
manche werden unvergessen
hohe Wertigkeit erlangen –
dennoch vielen galt auch Bangen.
Menschen sind so uneinsichtig,
nehmen sich meist viel zu wichtig,
leben im Vorübereilen:
Zeit bleibt nicht um zu verweilen,
so, als wär das Leben nichtig.

© lillii (Luzie-R)


Jahresrückblick und -neuanfang
– Stanzen –

Hat denn dies Jahr gebracht, was ich erwartet – 
für alle? wenigstens für mich ganz still?
Der Hoffnung Spiel ist niemals abgekartet,
sie macht nicht das und so, wie ich wohl will.
Gesundheit wünscht' ich – wäre durchgestartet;
gewährt ward mir nur ein April, April !
Die großen Dinge musste ich vermeiden:
nicht leicht, sich zu begnügen und bescheiden.

Bringt wohl das neue Jahr, was ich erträume –
und sei es nur für mich ganz insgeheim …
Erwartungen sind oftmals eben Schäume:
voll Leichtsinn geht man ihnen auf den Leim.
Wie stell ich's an, dass ich nicht viel versäume
von dem, was noch verborgen liegt im Keim?
Noch brauchte ich nicht dies und das zu lassen …
ich könnte manches noch ins Auge fassen!

© elbwolf (Wolfgang H., 28.12.2018)
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Zur Metrik: s. Stummer, S.84/85.

Montag, 24. Dezember 2018

Menschwerdung (Manfred Albert a. G.)

Wilhelm Haverkamp (1864-1929): Menschwerdung, 1924;
(Bronze; entstanden unter dem Eindruck von der Geburt seiner Kinder Benno und Ursel)
Urheber: Lordring; Foto: 2015; via Wikimedia.commons; Liz.: CC BY-SA 4.0


Menschwerdung (Terzine)

Ein neuer Mensch muss sich ins Dasein finden:
nur angelegt wird grad sein eignes Leben,
wenn beider Eltern Zellen sich verbinden.

Als Ungebornes wird er dies erleben:
noch ist geborgen er in Mutters Schoß,
der wird zur rechten Zeit ihm Freiheit geben.

Ob Stall, ob Schloss – nicht Wahl, wohl eher Los,
wo dann die Welt erblickt das Menschenkind
als hilflos Bündel, klein und nackt und bloß.

In einem Stall weht stets ein kalter Wind –
im Schloss lebt man indes auf breitem Fuß.
Der Zufall ist es: der entscheidet blind.

In Bethlehem erging ein Engelsgruß,
verkündend, dass das Heil der Welt geboren,
auch heute macht es manchen noch konfus,
dass sich das Heil den Stall als Heim erkoren.

© lillii  (Luzie-R; 21.12.2018)


Besinnlicher Zusatz

Das Heil der Welt ist nicht ein hehrer Bote
der niederschwebt in tönendem Gesang.
Doch die Verklärung ohne diese Note,
sie käme nie und nirgends recht in Gang.

Das Christkind arm und irgendwo geboren,
der Jesus unauffällig, hässlich gar,
wer hätte dafür Augen denn und Ohren
und säh sein Heil darin, wie's wirklich war.

Wir schufen uns Appelle, Traumgestalten,
nicht achtend, dass er einer von uns sei.
Doch seine Botschaft, die hat sich erhalten
in Glaube, Liebe, Hoffnung – diesen drei.

© Manfred Albert (als Gast; 21.12.2018)

Freitag, 21. Dezember 2018

Tag für Tag (Terzanelle)

eigenes Foto der Verfasserin

Tag für Tag

Kein Tag wird jemals vor dem Abend enden:
die Sonne geht - wie stets - im Westen unter;
sie wird uns weiter ihre Wärme spenden.

Schon früh am Morgen ist sie wieder munter.
Es reihen sich die Tage, Wochen, Jahre;
die Sonne geht - wie stets - im Westen unter.

Wir sehen oftmals nur das Annehmbare;
doch wir sinds, die sich um die Sonne drehen;
es reihen sich die Tage, Wochen, Jahre.

Gar manches wird in dieser Zeit geschehen,
jedoch ist unsre Zeit nur kurz bemessen,
doch wir sinds, die sich um die Sonne drehen.

Wir Menschen sollten eines nicht vergessen;    
Natur zu achten und sie neu erspüren -
jedoch ist unsre Zeit nur kurz bemessen.

Wenn wir das Gute in uns weiterführen,
kein Tag wird jemals vor dem Abend enden:
Natur zu achten und sie neu erspüren –
sie wird uns weiter ihre Wärme spenden.

© lillii (Luzie-R; 11.12.2018, bearb.)
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Anmerkung zur Metrik:
Die Terzanelle ist eine Kombination des Reimemusters der Terzine und einer besonderen Art einzelner Verswiederholungen. In ihrer häufigen 19-zeiligen Form lässt sich dieses Gedicht (zumeist aus übervollständigen fünffüßigen Jamben) als Schema und mit Worten folgendermaßen beschreiben:
            a1 b1 a2  /  b2 c1 b1  /  c2 d1 c1  /  d2 e1 d1  /  e2 f1 e1  /  f2 a1 f1 a2

Die Zeilen 1 der Strophen 2-6 (b2, c2, d2, e2, f2) kehren nirgends wieder.
Jede mittlere Zeile der Strophen 1-5 (b1, c1, d1, e1, f1) kehrt als Zeile 3 der Folgestrophe wieder.
Die Zeilen 1 und 3 der Strophe 1 (a1, a2) kehren als Zeilen 2 und 4 in Strophe 6 wieder.

Sonntag, 16. Dezember 2018

Dezember – Ein Monatsbild

Brüder von Limburg: Monatsbild Dezember (Miniatur, Tempera/Pergament, 1412-16),
aus dem "sehr reichen Stunden(Gebet)buch des Jean de Valois, Herzog von Berry";
heute im Musée Condé auf Schloss Chantilly; via wikimedia.commons; gemeinfrei.
./.
Darstellung des Monats des Schweineschlachtens in Form einer Jagdszene.
Im Hintergrund das Schloss von Vincennes – die Wälder von Vincennes
zogen immer wieder die französischen Könige an.

Dezember – Ein Monatsbild

Kein Zweifel, das Jahr geht nun dem Ende zu:
der Monat, in dem die Schweine geschlachtet werden.
Bauern und Jäger gehen gemeinsam auf Jagd.
Wildschweine werden von Treibern aufgescheucht.
Die Jagdhunde sind dabei ganz unentbehrlich,
nur so sind die Wildschweine zur Strecke zu bringen.

Groß die Hunde, wilde, kräftige Tiere,
die nach der Jagd auch ihren Lohn fordern.
Sie reißen Fleischstücke aus der erlegten Beute.
Männer müssen den Eifer der Tiere bändigen.
Auf einem Horn wird das Halali geblasen –
es bedeutet das Ende der heurigen Jagd.

Die Szene spielt auf einer Lichtung im Wald;
die Bäume haben ihr Laub noch nicht verloren.
Im Hintergrund ragen die Türme des Schlosses.
König und Edle widmeten sich gern der Jagd.
Der Dezember – ein lebendiges Jahresende!

© Luzie R. (12/2018)
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Anmerkungen:

Das Monatsbild Dezember vom Vorjahr 2017 verwendete als Illustration ein Bild aus dem "Breviarium Grimani" (1490-1510); ihm gegenüber entstand dieses Bild hier oben fast ein Jahrhundert früher. Was diese Zeitspanne von 1412-16 bis etwa 1500 gebracht hat, zeigt ein Bilder-Vergleich: Dezember-Bild aus dem Grimani-Brevier!

○ Link auf eine umfängliche Beschreibung des Dezembers im "Stundenbuch"
● in der deutschen Fassung der Wikipedia
● und in einer originalen französischen Kurzfassung.

○ Literatur: Heinrich Trost: Die Monatsbilder der Brüder von Limburg; Henschelverlag 1962 (Broschur); Reihe "Welt der Kunst"; antiquarisch/selten, Preis 5 - 20 €, aber dafür auch eingeklebte farbige Bildern und Beschreibungen aller Monate!

○ Die Verse sind fünfhebige ungereimte Akzentverse (s. Stummer, S. 45/46).

Donnerstag, 13. Dezember 2018

Drei Grazien - 3/3: Thalia (mit Manfred Albert a. G.)

William Etty (1787-1849): Die drei Grazien; 1830; Studie in Öl.
Metropolitan Mus. of Art; via wikimedia.commons. Public domain.
./.
Die "Dreizahl" war für Künstler schon immer verlockende Motivation – zu den
drei Kardinalstugenden, zum Parisurteil und eben zu "Die drei Grazien".
Die wurden meist unbekleidet, sich gegenseitig berührend oder umarmend dargestellt.
William Etty hat die Grazien auf drei Gemälden dargestellt – hier als Studie zu
einer größeren Komposition Venus and Her Satellites, 
Wir beiden Autoren sind bescheidener: der Zeichner hatte seinerzeit nur jeweils ein
Modell engagiert, der Verseschreiber widmet jeder ein eigenes Gedichtformat.
Wir haben im Team aus dem kompakten Dreigestirn eine Serie mit drei Beiträgen gestaltet.

Thalia, die Festliche – kolorierte Zeichnung: © Manfred Albert
Drei Grazien – 3/3:
Thalia, die Älteste – die Festliche
            – alt-italienisches Sonett –


Thalia ist noch ganz entspannt vom Bade,
hat keinen Zoll des Körpers schon bedeckt,
herauf steigt sie, lehnt an der Balustrade,
mit Gliedern, die erwartungsvoll gestreckt.
Bald trifft sie beide Schwestern am Gestade –
dem Anblick zollt man grenzenlos Respekt:
für sich ist jede dieser drei – Najade,
zu dreien sind an Anmut sie perfekt.

Die Kunst hat tausendmal sie konterfeit.           
Ein jeder sieht sie ganz auf eigne Weise,
hat seine Sehnsucht in ihr Bild gelegt.
Und das ist klug, ja mehr: es ist gescheit:
folgt euch der Grazien Anmut auf die Reise –
so seid von Schönheit auch ihr selbst bewegt.

© elbwolf (Wolfgang H., 11/2018)
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Anmerkungen:

Manfred Albert, *1936, unser Gast schreibt in einer Senioren-Community zu aktuellen Themen in Prosa und Versen seine Gedanken auf, "soweit Geist und Erinnerung sie hergeben". Darüber hinaus ist er ein passionierter Zeichner, der seine Textbeiträge auch selbst illustrieren kann.

→ Das Sonett in seinen drei Hauptformen wurde im ST von Anfang an (2014) verwendet, sogar als "Sonettenstrauß", etwa in den → VierJahreszeiten (Teamwork) sowie in einer größeren Anzahl einzelner Sonette, etwa in → Erwartung- Sonetto d'amore.
Hier wird von einigen Zugeständnissen an die italienische Sonettform Gebrauch gemacht, insbes. in der Verwendung auch stumpfer (männlicher) Reime, was der Reimung aber zugutekommt.

Thalia, die Grazie der Festlichkeit und der reichen Bankette, darf man nicht verwechseln mit der gleichnamigen Muse für das Lustspiel, eine Tochter des Zeus und der Mnemosyne.

Anmut oder Grazie bezeichnet eine Form des Schönen, die in neuerer Zeit hauptsächlich in performativen Künsten wie etwa dem Tanz gefunden wird. Seit Schiller wird Anmut üblicherweise als freie Bewegung in Schönheit, der unwillkürliche Ausdruck einer Harmonie zwischen Sinnlichem und Geistigem bezeichnet. Traditionell ist Anmut ein Gegenbegriff zum Erhabenen. /s. Wikipedia/

Sonntag, 9. Dezember 2018

Drei Grazien - 2/3: Euphrosyne (mit Manfred Albert a. G.)

Die drei Grazien (Fresko); Pompeij, Casa di P. Dentatus Panthera, Inv. 9236;
im Archäologischen Nationalmuseum Neapel, Gabinetto Segreto; gemeinfrei.
./.
Die "Dreizahl" war für Künstler schon immer verlockende Motivation – zu den
drei Kardinalstugenden, zum Parisurteil und eben zu "Die drei Grazien".
Die wurden meist unbekleidet, sich gegenseitig berührend oder umarmend dargestellt.
In Pompeij kamen mehrere Bildversionen zu Tage – und Raffael, der als Erster der Neuzeit
eine von den Grazien als Rückenakt malte, muss es gewusst oder geahnt haben.
Wir beiden Autoren sind bescheidener: der Zeichner hatte seinerzeit nur jeweils ein
Modell engagiert, der Verseschreiber widmet jeder ein eigenes Gedichtformat.
Dafür gestalten wir im Team aus dem kompakten Dreigestirn eine Serie mit drei Beiträgen.
Euphrosyne, die Frohsinnige – aquarellierte Zeichnung: © Manfred Albert

Drei Grazien – 2/3: 

Euphrosyne, die Mittlere – die Frohsinnige

                  – 10-zeilige Canzone toscana –

Wenn Euphrosyne wirbelnd kreist im Tanze,

genießt sie unbeschwert den Augenblick: 

dem Frohsinn ist sie grenzenlos ergeben. 

Sie ginge lieber stets aufs große Ganze 

und bände niemals sich mit einem Strick –

das wäre vollends gegen ihr Bestreben.

Aus Freude weiterleben, 

das ist und bleibt für immer ihr Geschick: 

mit dem Gesicht der Sonne zugewendet 

und in Bewegung, die gar niemals endet.


© elbwolf (Wolfgang H., 11/2018)

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 Anmerkungen:

Manfred Albert, *1936, unser Gast schreibt in einer Senioren-Community zu aktuellen Themen in Prosa und Versen seine Gedanken auf, "soweit Geist und Erinnerung sie hergeben". Darüber hinaus ist er ein passionierter Zeichner, der seine Textbeiträge auch selbst illustrieren kann.

→ Die 10-zeilige Kanzone wurde auf Versbildner bisher mehrfach verwendet, auch als "Kanzonenstrauß", so zu den vierteiligen Serien über → Francois Villon und die → Vier Elemente.

Mittwoch, 5. Dezember 2018

Drei Grazien - 1/3: Aglaia (mit Manfred Albert a. G.)

Raffael: Die drei Grazien (1503-05); Chantilly, Musée Condé
./.
Die "Dreizahl" war für Künstler schon immer verlockende Motivation – zu den
drei Kardinalstugenden, zum Parisurteil und eben zu "Die drei Grazien".
Die wurden meist unbekleidet, sich gegenseitig berührend oder umarmend
dargestellt.
Raffael malte als Erster der Neuzeit eine von ihnen als Rückenakt.
Wir beiden Autoren sind bescheidener: der Zeichner hatte seinerzeit nur jeweils ein
Modell engagiert, der Verseschreiber widmet jeder ein eigenes Gedichtformat.
Dafür gestalten wir im Team aus dem kompakten Dreigestirn eine Serie mit drei Beiträgen.
Aglaia, die Anmutige – aquarellierte Zeichnung: © Manfred Albert

Drei Grazien – 1/3:
Aglaia, die Jüngste – die Anmutige
– Dezime oder Königsstrophe "Copla Real" –

Ohne ihre beiden Schwestern
seht ihr solo hier Aglaia
nach dem Bad in der Biskaya,
das sie eben nahm –  wie gestern,
nicht beachtend die, die lästern …
Ihre Nacktheit auszuleben,
überm Wasser kühn zu schweben,
durch fast nichts dabei getragen
nur das Äußerste stets wagen -
denn Bewegung ist ihr Streben!

© elbwolf (Wolfgang H., 11/2018)
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Anmerkungen:
Manfred Albert, *1936, unser Gast schreibt in einer Senioren-Community zu aktuellen Themen in Prosa und Versen seine Gedanken auf, "soweit Geist und Erinnerung sie hergeben". Darüber hinaus ist er ein passionierter Zeichner, der seine Textbeiträge auch selbst illustrieren kann.

→ Die Königsstrophe (Dezime) wurde auf Versbildner bisher zweimal verwendet:
im → Abzählreim (8/2014) und → bei den Hosen im Handel und Wandel 9/(2017).