Hier schreiben Hobbydichter für Lyrik-Freunde – meist Gereimtes und nur Druckreifes! Willkommen also, viel Vergnügen mit unseren Gedichten und deren Bebilderung!

Aufrufe unseres Blogs erfolgen automatisch mit Sicherheitsprotokoll "https". Am 18. Mai 2022 hatten wir unseren 600. Beitrag in den Blog gestellt!

Bereits seit Jahresbeginn bringen wir neue Folgen an Kalenderblättern und Monatsbildern. Darum herum dann das, was sich an Einfällen so ergibt – man wird sehen! Nun ja, was man auch sieht: wir "unterschlagen" seit einer ganzen Weile auch einen gewissen Anteil an sanfter Erotik nicht länger - die Zeiten sind eben so ...

Wir teilen den Lesern unseres Versbildners mit und bitten um Verständnis, dass wir auch weiterhin das monatliche Angebot auf 6 Beiträge beschränken - die Kontaktarmut dieser Zeit bringt leider auch eine gewisse Ideenarmut mit sich. Neueinstellungen erfolgen damit um die Kalendertage des 1., 6., 11., 16./17., 21./22., 25.-27. eines Monats.

Dienstag, 29. August 2017

Verschwindende Wörter (4+5) – Backfisch + Hagestolz


Notabene:
Wir wollen in dieser Serie versuchen, einzelnen der in der Einführung aufgezählten 12 Wörter – nach und nach vielleicht sogar allen und weiteren auch noch – jeweils ein Gedicht zu widmen, in dem das verschwindende (oder gar schon verschwundene) Wort nicht bloß in der Überschrift vorkäme.
Carl Spitzweg (1808 –1885): Der Institutsspaziergang, ~1860
Quelle: www.zeno.org/nid/20004305957; Standort: München, Neue Pinakothek; Gemeinfrei
Carl Spitzweg (1808 –1885): Der Gutsherr (Der Hagestolz), ~1847/49
Quelle: www.zeno.org/nid/2000430523X; Privatbesitz; Liz.: Gemeinfrei

 Verschwindende Wörter
(4+5) – Backfisch + Hagestolz

In manchem luxuriösen Bade
Begab man sich auf Promenade,
Denn sehen und gesehen werden
War fast das Wichtigste auf Erden.

Man stellte sich der Welt zur Schau,
geschmückt und prahlend wie ein Pfau,
und nebenher, im Backfischalter,
die Tochter, dieser zarte Falter.

Und dann der reiche Hagestolz –
Schon knorrig, wie getrocknet' Holz,
Dem ward das Mädchen präsentiert,
sogar Verlobung inszeniert.

Das war das Ziel der Sommerfrische.
Zufrieden saß man spät bei Tische,
trank einen ausgesuchten Wein.
Der Backfisch schlief mit Tränen ein.

© immergrün (A.W., 3.5.2017)
-----------------------------------------------------------------------
Nachgehakt:
Laut Küppers' "Wörterbuch der deutschen Umgangssprache" (digitalisiert bei  Directmedia, Dig. Bibliothek Bd. 36) bezeichnet man mit "Backfisch"  (trotz »Teenager« auch heute noch!) das Mädchen in den Entwicklungsjahren – es ist eigentlich der Fisch, den man nicht kochen, sondern nur backen kann. Ab 1900 bedeutete "auf Backfisch machen" sich jugendlicher kleiden als dem Lebensalter entsprechend; "Backfischaquarium" war ein Mädchengymnasium oder -pensionat; im Zuge der Emanzipation erweiterte sich die Bedeutung dann ab 1950 auf ein Wohnheim für ledige Mädchen.
Den "Hagestolz" nennt dagegen schon Johann Christoph Adelung's "Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart" (Band 3; Leipzig 1798) ein sehr altes Wort, seinem Ursprunge nach aber dunkel: "ein alter Junggesell, eine Person männlichen Geschlechtes, welche funfzig Jahre alt ist und noch nicht geheirathet hat, da sie doch könnte". Knapper ist der Brockhaus von 1911: "eigentlich der auf einem Nebengut [hag] sitzende jüngere Sohn; dann so viel wie alter Junggeselle".

Samstag, 26. August 2017

Verschwindende Wörter (2+3) – Schwerenöter + Ohrenschmaus


Notabene:
Wir wollen in dieser Serie versuchen, einzelnen der in der Einführung aufgezählten 12 Wörter – nach und nach vielleicht sogar allen und weiteren auch noch – jeweils ein Gedicht zu widmen, in dem das verschwindende (oder gar schon verschwundene) Wort nicht bloß in der Überschrift vorkäme.
Emmanuel Joseph Raphaël (Manuel) Orazi (1860-1934) – italienischer Maler und Lithograf:
Couple en tenue de soirée / Paar in Abendkleidung (Art Nouveau, ~1910)
 (Quelle: leprincelointain.blogspot.de)

 Verschwindende Wörter
(2) – Schwerenöter

Ein Schwerenöter ist der Peter:
er hat die Damen fest im Griff.
Beruflich ist er ein Vertreter –
darum hat er den nötgen Schliff.
Erzählt den Frauen von der Liebe,
dass ewig treu er ihnen bliebe.

Sein Glück versucht er ohn' Gezeter
bei einem Weib, das schnell begriff,
der Peter sei wohl kaum ein Steter:
sie überhört gekonnt den Pfiff.
Da steht er nun mit seinem Triebe –
nicht Liebe bietet sie, doch Hiebe.

Nun sinkt sein Liebesbarometer:
er heuert an auf einem Schiff
und spielt fortan als Jazztrompeter,
doch läuft der Kahn bald auf ein Riff.
Im Schlauchboot ohne Schaltgetriebe
träumt er noch immer von der Liebe.

./.

Ratsherr Emanuel Burckhardt-Sarasin (1776-1844 ?, Basel): ein liebhaber Concert.
Karikatur auf den Veranstaltungsbetrieb im Basler Collegium musicum, ~1790;
Lavierte Tuschezeichnung; Quelle: wikimedia.commons; gemeinfrei

 Verschwindende Wörter
(3) – Ohrenschmaus

Wie für die Augen eine Weide –
gibt es für  Ohren einen Schmaus.
Dies wie ein Klang im schönsten Kleide,
dem gern gespendet wird Applaus.

Beim Ohrenschmaus die Seelen baumeln,
das Hören wird zum Hochgenuss;
geraten Sinne fast ins Taumeln – 
wie auch bei einem Liebeskuss.

An Ohrenschmaus und Augenweiden
wird garantiert wohl niemand leiden.

© lillii (L-R, 6. Mai 2017, durchgesehen)
-----------------------------------------------------------------------
Nachgehakt:
Die Umgangssprache hat ab etwa 1850 den "Schwerenöter" in ihren Bestand aufgenommen – wie der Küppers im "Wörterbuch der deutschen Umgangssprache" (S. 755; digitalisiert bei  Directmedia, Dig. Bibliothek Bd. 36) vermerkt und definiert:
Frauenschmeichler. Eigentlich einer, dem man die Fallsucht wünscht; weiterentwickelt zur Bedeutung »verschlagener Mann«, vor allem mit Bezug auf liebenswürdig-listigen Umgang mit Frauen. Er hat eine Art »Fallsucht« auch insofern, als er vor Frauen einen »Kniefall« macht, ihnen »zu Füßen liegt«.
Der "Ohrenschmaus" scheint sich irgendwann eingebürgert zu haben, obwohl ihn lediglich das Online-Wörterbuch Wortbedeutung.info als Eintrag führt, während der Duden und der Küppers ihn ignorieren – aber verschwunden ist er nun wiederum aus der Sprache auch (noch) nicht.

Mittwoch, 23. August 2017

Verschwindende Wörter (1) – Poetenkasten


Notabene:
Wir wollen in dieser Serie versuchen, einzelnen der in der Einführung aufgezählten 12 Wörter – nach und nach vielleicht sogar allen und weiteren auch noch – jeweils ein Gedicht zu widmen, in dem das verschwindende (oder gar schon verschwundene) Wort nicht bloß in der Überschrift vorkäme.
Zwei Beispiele von "Poetenkasten" früherer Zeiten
links: fiktives post-mortem Porträt des slowakischen Dichters Janko Král' (1822-76) –
romantisierende Darstellung, "wie in der westlichen Kultur ein wahrer Poet auszusehen hätte".
 rechts: der Italiener Giacomo Leopardi (1798-1837), den die Universität Birmingham einen der radikalsten und streitbarsten Denker des 19. Jahrhunderts nannte (Porträt von A. Ferrazzi, ~1820)
(Quelle für beides: wikimedia.commons, Liz.: gemeinfrei)

 Verschwindende Wörter
(1) – Poetenkasten

Was kann's schon sein, so ein Poetenkasten?       
Dient etwa dem Poeten er beim Fasten,
und sonst … um ungestört darin zu dichten,
zu tun, was Ruhe braucht, ums zu verrichten?         

Nichts Staatliches, der Kasten, nein – zivil!
Doch ist er eingebaut? Vielleicht mobil? 
Was ist, wenn Sprachgefühl uns gänzlich trügt,
weil jeder über dieses Ding verfügt?

Gemeint ist in der Tat vom eignen Kopf
das Hinterteil, von dem einst hing der Zopf.
Bei Schlauen ist dort installiert der Grips;
wer aber keinen hat, füllt auf mit Gips.

Seid stolz auf das Metier, ihr Verseschreiber,
was ihr so dichtet – nichts für Sitzenbleiber.
Mit "richtig was auf dem Poetenkasten" 
kann einen nie ein Un-Gedicht belasten.

Das "Hinterstübchen" (und nicht das Gesicht)
gibt Vers allein und Rhythmus das Gewicht.
Nicht rosten also, weil zu viel wir rasten
und dann zu wenig hätten auf dem Kasten!

elbwolf (2.5.2017, durchgesehen)
-----------------------------------------------------------------------
Nachgehakt:
Schon Johann Christoph Adelung nahm in sein "Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart" (Band 3; Leipzig 1798, S. 799) den Begriff auf:
Poetenkasten (des -s, plur. ut nom. sing.) im gemeinen Scherze, der Hintertheil des Kopfes, besonders wenn er eine vorzügliche Erhöhung hat.
Die spätere Umgangssprache hat ihn dann um etwa 1920 durch den knappen, kompakten, allgemeineren Begriff Kasten ersetzt – bei Küppers im "Wörterbuch der deutschen Umgangssprache" (digitalisiert bei  Directmedia, Dig. Bibliothek Bd. 36) sind es die Nummern 32 und 33 unter 46 Bedeutungen insgesamt.
Als Grund für das Verschwinden wird genannt, dass Scherz- wie Schimpfwörter sich bei häufigem Gebrauch leicht abnutzen – und der Poetenkasten zähle eben dazu. Andererseits: wird aber bis heute am "Hinterstübchen" eisern festgehalten!
Man kann es sich allerdings kaum verkneifen zu bemerken, dass es früher eben eins war: etwas auf dem "Kasten", will sagen, auf dem "Poetenkasten" zu haben und folglich Verse schreiben zu können; heute dagegen – wer kann da schon – selbst wenn er was auf dem Kasten hat, noch Verse … einleuchtend!

Montag, 21. August 2017

Verschwindende Wörter – Einführung

Buch geführt wird schon darüber: bedroht – vergessen – versunken – untergegangen!
./.
Der DUDEN nimmt gottlob! in seine neue 27. Auflage 5000 weitere Wörter auf, darunter:
Selfie, Tablet, Emoji, Willkommenskultur, Schmähgedicht, Fake News, postfaktisch, Low Carb, Roadtrip, rumeiern, Ramschniveau, Tüddelkram, Datenbrille, facebooken, entfreunden u.v.a.m.
Aber Achtung: statt "Majonäse" ist ab sofort wieder nur noch "Mayonnaise" zulässig!

Verschwindende Wörter  – Einführung

Bitte nicht nur wundern und den Kopf schütteln über den neuesten DUDEN – er hat schließlich nur indirekt sprachpflegerische Aufgaben: er soll vielmehr die Sprache (deine und meine Muttersprache!) in ihrer Bewegung erfassen und widerspiegeln. Und das Wortgut unserer Muttersprache war schon immer in Bewegung –  schließlich ist die Sprache ja erst allmählich zu dem geworden, was sie heute ist.

Aber – SO wird sie eben auch nicht bleiben. Beschleunigt sich dieser Vorgang vielleicht – unter dem Zeitgeist; unter äußeren Einflüssen; durch unsere eigene Unachtsamkeit? Gerät so manches in Vergessenheit oder geht gar unter, das auch künftig durchaus  weiter gebrauchsfähig wäre?

Strömt dafür anderes in die Sprache, das völlig entbehrlich erscheint, das Besseres verdrängt und Ausdrucksmöglichkeiten eher verringert als erweitert, eher unverständlicher macht, als dass es für Klarheit sorgte? Verdrängt nicht jedes dahingeplap­perte "okay" ein "gut", selbst das "bist du okay?" raubt uns ein "geht's dir gut?" Die Volksbildung ist längst alarmiert; dagegen ist die Politik, wie immer, unentschlossen.

Bücher zur Materie aber gibt es bereits genug – die genauen Angaben zu den oben aufgeführten Titeln kann der Interessierte sich leicht mittels einer Internet-(Bilder-)Suche erschließen oder einfach die Titel "googeln".

Gelegentlich aber schwappt eine Kelle an sprachlicher Auf- und Erklärung sogar in die Tageszeitungen und Illustrierten über. So geriet mir wieder ein Ausriss aus der "Sächsischen Zeitung" vom 13.09.2014 in die Hände:
"Wörter, die aus der deutschen Sprache verschwinden".
Elf Beispiele sind dort aufgezählt, die unten in alphabetischer Reihenfolge angegeben sind (dabei "Schaufensterbummel" ersetzt durch Schwerenöter und Nr. 8 hinzugekommen vom blauen Buchtitel):

 01 Backfisch
 02 Hagestolz
 03 Halbstarker
 04 Hechtsuppe
05 Kleinod
06 Ohrenschmaus
07 Patenbrigade
08 Poetenkasten
09 schurigeln
10 Schwerenöter
11 Sendeschluss
12 Sommerfrische

Wir wollen in dieser Serie versuchen, einzelnen Wörtern – nach und nach vielleicht sogar allen – ein Gedicht zu widmen, in dem das betreffende Wort nicht bloß in der Überschrift vorkäme.

Zwei vergiftete Pfeile enthält übrigens die Aufzählung:
• Patenbrigade – um die ist es wirklich schade, aber nur ältere Ossis könnten damit noch etwas anfangen;
• Poetenkasten – lange schon aus der Mode – den nehmen wir uns zum Auftakt in der Folge-1 vor.

Liebe Besucher unserer neuen Serie auf Versbildner – bitte bleiben Sie dran an den "Verschwindenden Wörtern" – vielleicht nehmen Sie sich sogar mal selber eins vor?
Wir bloggen:
Teil-1: "Poetenkasten" am 23. August
Teil-(2+3): "Schwerenöter" und "Ohrenschmaus" am 26. August
Teil-(4+5): "Backfisch" und "Hagestolz" am 29. August
  
© elbwolf (Mai 2017; durchgesehen August '17)

Freitag, 18. August 2017

August – ein Monatsbild

Gerard Horenbout u. a.: Breviarium Grimani, Monatsbild August (Buchmalerei/Pergament, ~1510)
Standort: Nationale Markusbibliothek, Venedig; Quelle: wikimedia.commons; gemeinfrei.
./.
Getreideernte oder Dreschen wurden gern auf mittelalterlichen Monatsbildern dargestellt.
Im August begann aber nach dem Ende der Brutzeit und Aufzucht auch die Saison der Beizjagd,
und so war der warme und meist trockene Monat beliebt für Gesellschaftsjagden.

August – ein Monatsbild

August, das Korn reift auf den Halmen.
Jetzt ist des Sommers goldne Zeit.
Die leise Ahnung eines Abschieds
schwingt mit, der Herbst ist nicht mehr weit.

Die Bauern, die das Land bestellen,
sie sehn August aus andrer Sicht:
sie sagen Ernting, weil sie bergen,
was reicher Feldertrag verspricht.

Das Alltagstun hängt ab vom Wetter,
doch der August ist recht stabil.
Nur wenig Regen, heiße Tage.
Die Ernte ist das hohe Ziel.

Die Garben stehen auf den Feldern
und Staub liegt in der heißen Luft.
Die schweren Körner dichter Ähren
verströmen deutlich Sommerduft.

Jetzt klingt das Schlagen von den Tennen –
Die Flegel geben Rhythmus vor.
Und Spelzen stacheln in den Kleidern;
Gekicher hinterm Scheunentor.

© immergruen (A.W., 01.08.2017)
------------------------------------------------------------
○ Link auf eine populäre Darstellung des August in mittelalterlicher Zeit.
○ Link auf eine Sammlung Lyrik- und Prosa-Titel über den August.

Dienstag, 15. August 2017

Der Arbeitnehmerflügel (Parodie)

Parteien, die zur Bundestagswahl 2017 in welchem Bundesland wählbar sein werden
(auch die, die ihre Beteiligung angezeigt, aber keine Landeslisten eingereicht haben).
Urheber: THAWonderland, 28.07.2017; Quelle: wikimedia.commons; Liz.: CC BY-SA 4.0

 Der Arbeit|geber|nehmerflügel (Parodie)

Vergangnen Samstag kam ins Ruhrgebiet,
um dort den Wahlkampf endlich zu forcieren,
die Kanzlerin! Auch einmal zu probieren ,
wie man die Massen ordentlich bekniet,
die man nicht eben offen führt am Zügel, …
… nur nebenher – als Arbeitnehmerflügel!

Die Sozis hatten einst im Ruhrgebiet
in Dortmund ihre Hochburg – unbestritten.
Dort fuhr die Kanzlerin mit ihnen Schlitten:
den Arbeitnehmer, wie man staunend sieht,
den braucht sie selbst – natürlich gleich in Massen!
Der soll von ihr sich nun berieseln lassen …

Denn Arbeitnehmer gibt’s in großer Zahl:
in summa haben sie die meisten Stimmen;
und um im Bu~tag Sitze zu erklimmen,
stürzt selbst die Kanzlerin sich in die Wahl.
Sie hat fast vierzig Punkte als Prognose –
und das geht deshalb kaum noch in die Hose!

Doch ist der Wahlkampf nirgends ein Plaisier:
ein Landes-Chef merkt's grad in Niedersachsen,
wo Bäume von Vau-We zum Himmel wachsen:
Der zeigte dort ein wichtiges Papier
dem Arbeitgeberflügel – und der sollte
verändern, was er dran nicht haben wollte.

Ein Sozi – der die Arbeitgeber fragt:
"Warum nicht auf den saubren Diesel schwören";
"Ihr werdet sonst Vertrauen nur zerstören" –
doch Halt! das hat die Kanzlerin gesagt.
. . .
Gehörst du auch zum Arbeitnehmerflügel?
Dann freu dich nach der Wahl auf neue Prügel!

elbwolf (Dienstag, 15.08.2017)

--------------------------------------------------------
Nachgehakt:
Anregung zu dieser Parodie erhielt ich durch die "Frankfurter Allgemeine – Zeitung für Deutschland", die am 14.08.2017 (gestern!) auf der Titelseite u. a. mitteilte:
- Merkel sagte … in Dortmund …: Die 'Lücken in den Abgastests' hätten "Vertrauen zerstört";
- Schulz warf /in einem ZDF-Interview/ den Fahrzeugherstellern vor, sie hätten "ihre Zukunft verpennt".

Samstag, 12. August 2017

Besuch bei der Aubergine

Eierpflanze (Aubergine) mit Frucht und Blüte
Foto+©: Miya (Jap.), 6.5.2006; Quelle: wikimedia.commons. Liz.: CC BY-SA 3.0

Besuch bei der Aubergine (Parodie)

Es war erst jüngst an meinem Ehrentag,
als jeder von den eingeladnen Gästen
mir irgend etwas – auch, was ich nicht mag – 
verehrte, selbstverständlich nur vom besten.
Ein Pflänzlein war im Gabenhaufen drunter,
das schien vor Wassermangel kaum noch munter.

Nun haben solch Geschenke den Effekt ,
dass ihre Geber später uns noch plagen
und gänzlich ungeniert und sehr direkt
uns stellen immer ewig gleiche Fragen:
So fragte mich ein Freund mit Unschuldsmine:
"Wie geht’s denn meiner kleinen Aubergine"?

Da hatte ich nun endlich den Bescheid,
was da im Gartenbeet sein Dasein fristet,
und wie ich grüble, hat der Freund mit Schneid
mich mühelos noch einmal überlistet:
"Ich schaue gleich mit Dir nach 'unsrer' Pflanze –
die duldet keine Halbheit, die will's Ganze!

Die wird am Ende fast zwei Meter lang;
sie braucht jetzt unverzüglich ein Gestänge,
denn Auberginen wachsen als Behang –
sie sind des Gartens leuchtendes Gepränge!
Du musst nur fleißig und mit Nährsalz gießen,
dann werden viele dunkle Früchte sprießen!"

Da hatte ich ganz plötzlich nie mehr Zeit.
Zunächst ließ ich den Sommerurlaub sausen,
gab Golf und Herrenabend das Geleit
und schlug mir aus dem Kopf die blonden Flausen.
So ändert man sein Leben dank Gemüse –
ist meine bitter-süße Analyse!

© WH (elbwolf, 23.06.2016, überarb. 07 '17)

Mittwoch, 9. August 2017

Mundart-Verse (5) – Remstaler Schwäbisch (Fred Boger als Gast)

Notabene: Fortsetzung der losen Folge von Gedichten, die ihre Verfasser/Innen in Mundart schreiben. Der Begriff mag für Sprachwissenschaftler etwas unscharf sein – hier steht er für Gedichte, die man in solcher "Würze" nur in "Regionalsprachen" findet. Auch sind sie den formalen poetischen Auflagen durch das Hochdeutsche weit weniger (oder nicht) verpflichtet.
Für Unkundige, die gar manches Mal "begriffsstutzig" sein würden, gibt es heute und hier eine hochdeutsche Übertragung nebst  einer Reihe Worterklärungen.
Remstal-Höhenweg zwischen Fellbach bei Stuttgart bis zur Remsquelle bei Essingen:
Ausblick vom Rosenstein in der Schwäbischen Alb (735 m ü. NHN) über Lautern.
Urheber: Remstal-Route, 09.06.2012; Quelle: wikimedia.commons; Liz.: CC BY-SA 3.0

 Fred Boger (Heilbronn) …
… ist immer "nah dran an Volkes Meinung" gewesen und formuliert die Verszeile
"… jetz wois i wenigschtens was off ohs zua'koomt!"
Er stellt uns neben zwei Mundartgedichten "zur allgemeinen Lage" eine Reihe von Gedankensplittern in seinem köstlichen Remstaler Schwäbisch vor.
Die Texte wurden größtenteils in Bogers Mundart-Gedichte-Band "Aus em Ländle" (siehe Biografie am Beitragsende!) erstgedruckt.
Wir übertragen die Verse teils ins Hochdeutsche oder erklären Dialektworte:
???  "dia nex daogad" - "oiseidich" – "isch ao ganga" – "äbbas ibr me"  ???
Jeweils neben/bei den Originalen stehen die Lösungen zu solchen Rätseln!


Demokratie

Wenn dia Selle drah sen
noo schempfad dia Sotte,
dass dia Selle nex daogad.

Sen dia Sotte drah
noo schempfad dia Selle,
dass dia Sotte nex daogad.

Z lescht schempfad dia Leit
ibr dia Selle ond Sotte –
abr manche säan deshalb
et "raot" sondern "grün".
Wenn die Einen dran sind,
dann schimpfen die Anderen,
dass die Einen nichts taugen.

Sind die Anderen dran,
dann schimpfen die Einen,
dass die Anderen nichts taugen.

Am Ende schimpfen die Leute
über die Einen und die Anderen –
aber manche sehen trotzdem
nicht "rot" sondern "grün".


Wetterbericht

Wenne uf mainr Vranda hogg
ond s riacht nach Suppa
von dära Suppafabrik*) här,
noo woise, dass bald regnad.
Wenn abr dr Wend
von dr andra Richdong kommt ond
i kah dees Schlachthaus riacha,
noo wirds schee Wetter!

Wenns aber vom Fluss här
nach fauligam Wasser riacht,
noo gwitterts bald.
Ond wenns von dr Schtadt här
nach dene Abgas schtenkt,
noo wirds bald keltr.

Wenns abr nach Suppa riacht,
nach Schlachthaus,
nach fauligam Wasser
ond ao noh nach Abgas schtenkt,
noo bleibts Wetter wias isch.

Noo kasch dai Wesch
ruhig naushengga!
Wenn ich auf meiner Veranda sitz
und es riecht nach Suppe
von dieser Suppenfabrik*) her
dann weiß ich, dass es bald regnet.
Wenn aber der Wind
von der anderen Richtung kommt und
ich kann das Schlachthaus riechen,
dann wird es schönes Wetter!

Wenn es aber vom Fluss her
nach fauligem Wasser riecht,
dann gewittert es bald.
Und wenn es von der Stadt her
nach diesen Abgasen stinkt,
dann wird es bald kälter.

Wenn es aber nach Suppe riecht,
nach Schlachthaus,
nach fauligem Wasser
und auch noch nach Abgasen stinkt,
dann bleibt das Wetter wie's ist.

Dann kannst du deine Wäsche
ruhig raushängen!

*) In meinem Heilbronn ist das die Fabrik Knorr Suppen, heute Unilever.

Schwäbische Gedankensplitter

Schpara

Schpara mias mr
dr Girtl enger schnalla
dr fette Ranza
a bissle aiziiha.

Abr dia
wo dees saagad
dene macht des
nex aus –
dia traagad Hosaträgr.
So macht mrs!

Mir mached dees
wia mrs friior
ao gmacht hen.
Doh hemmer nemlich
gar nex gmacht!

Isch ao ganga
ond mir läbad
heit noh!
Fraindlich

Worom griast denn
der jetz ao
so fraindlich?
Will äbbas vo mr?
Schuldem äbbas?
Hanem en Gfalla doh?
Woisr äbbas ibr me?
Woisch was?
Du kasch me …
(… am Arsch lecka!)



Sparen müssen wir
den Gürtel enger schnallen
den fetten Bauch
ein bisschen einziehen.

Aber diejenigen
die das sagen
denen macht das
nichts aus –
die tragen Hosenträger.
Wir machen das
wie wir das früher
auch gemacht haben.
Da haben wir nämlich
gar nichts gemacht!

Ist auch gegangen
und wir leben
heute noch!
Warum grüßt denn
der jetzt auch
so freundlich?
Will der was von mir?
Schulde ich ihm was?
Habe ich ihm einen
                 Gefallen getan?
Weiß der was über mich?
Weißt Du was?
Du kannst mich … (…)

Hoimat

Hoimat kasch verliira
wenn'da von dr'hoim weg'gosch
ond ällas hentr dir lesch

Hoimat kasch abr ao verliira
wenn'da do'bleibsch
ond d'ganz Welt
kommt zu dir
Meinungsvielfalt

Manche Leit läsad
blos Bildzeidong.
I moin, mr derf sich et so
oiseidich informiara.
I läs ao Frau em Schpiegl
ond Quick.
Isch halt wega dr
"Meinungsvielfalt"!


Die Heimat kannst Du verlieren,
wenn du von daheim weggehst
und alles hinter dir lässt.

Die Heimat kannst du aber auch verlieren
wenn du dableibst
und die ganze Welt
kommt zu dir.
Manche Leute lesen
bloß die Bildzeitung.
Ich meine, man darf sich nicht so
einseitig informieren.
Ich lese auch 'Frau im Spiegel'
und Quick.
Das ist halt so wegen der
'Meinungsfreiheit'




  © Fred Boger
"Ganz fraindliche Grias aus em Ländle!"
-----------------------------------------------------------
Der Gast unseres August-Beitrages, Fred Boger, wurde 1937 in Schorndorf im Remstal (heutiges BaWü) geboren und ist dort aufgewachsen. Nach einer Handwerkerlehre wanderte er 1956 in die USA aus und begann dort nach einigen Jahren ein Studium an der U. of Illinois, das er mit dem MA abschloss. Nach Rückkehr in die Heimat war er von 1971 bis 1999 als Lehrer in Heilbronn tätig, wo er auch heute lebt.
Als Ruheständler widmet sich Fred Boger vorwiegend dem Schreiben und hat in Mundart wie in der Hochsprache Theaterstücke, Gedichte, Hörspiele und weitere Bücher veröffentlicht. Sein Erstlingswerk "Don`t smile ... , Ein weißer Lehrer arbeitet im schwarzen Getto von Chicago" erschien 1980 bei Bläschke. Der Knödler-Verlag (Reutlingen) verlegte 1982 sein Buch "Aus em Ländle" mit Gedichten in schwäbischer Mundart, dem die meisten der Verse hier entnommen sind.
Fred Boger verfolgt das Tagesgeschehen mit Interesse und tritt in seiner Regionalpresse als engagierter Leserbriefschreiber in Erscheinung, der sich kein X für ein U vormachen lässt …
./.
Die Gegend des Remstals wird oft als die schwäbische Toskana bezeichnet, wovon eine Fotoserie bei der Fotocommunity schönes Zeugnis ablegt.
Die schwäbische Welt ist im Internet mit Lexikon, Humor, Schimpfwörtern und Lebensweisheiten, Essen und Trinken, Kehrwoche und Eigenheiten gut und umfassend vertreten.
Die schwäbische Dialektgruppe als eine große alemannische Untergruppe wird in einem ausführlichen Wikipedia-Artikel beschrieben und dort auch in kartografischer Übersicht dargestellt.